Marburg. Zu was ein Schulaustausch so führen kann: Michael D. Higgins ist auf das, was an der Marburger SvB im Bildungsalltag gemacht wird, durch eine Partnerschule in seiner irischen Heimat aufmerksam geworden. Higgins, irischer Präsident, wurde immer neugieriger – und wollte mehr darüber erfahren, wieso das mit den Migranten, mit deren Bildung in der mittelhessischen Universitätsstadt so gut läuft.
Und so lud Präsident Higgins jetzt Martin Bergmann, Konrektor der SvB, und Projektleiter Wolfgang Karl ein, um ihn und eine irische Polit-Delegations in Europas Flüchtlings-Problemland Nummer eins – nach Griechenland zu begleiten. Dort, an der Universität von Athen präsentierten die Marburger ihr Erasmus-Projekt mit dem Ziel, Jugendliche in Schulen, aber auch in das soziale Leben zu integrieren.
„Wir finden aus Versehen unglaubliche Verbreitung. Offensichtlich haben wir mit unserem Projekt den Puls der Zeit getroffen“, sagt Bergmann: „Die Beschulung von Migranten ist ein großes Thema in Europa, nicht zuletzt wegen der Flüchtlingswelle, und alle europäischen Länder stehen vor den gleichen
Eine irische Delegation, angeführt von Irlands Präsident Michael D. Higgins, samt Ehefrau Sabina, hat Martin Bergmann und Wolfgang Karl für einen Vortrag zum Migranten-Bildungskonzept der Sophie-von-Brabant-Schule eingeladen. Privatfoto |
August 2017 entwickelte die SvB das Erasmus-Projekt „Mesas“, an dem auch fünf Partnerschulen in Europa beteiligt sind. Der Begriff Mesas ist nicht nur Abkürzung für „Integration of Migrants in European School systems and Societies“, sondern auch das spanische Wort für Tisch. Diese Bezeichnung wählte das Entwickler-Team, da das Projekt genau wie ein Tisch auf vier Beinen stehe. Die vier Säulen des Konzepts sind der Spracherwerb, die Integration in die Schule und das Erlernen von demokratischen Prinzipien, die Erleichterung der Integration in die Gesellschaft und die berufliche Orientierung.
Migranten, Flüchtlinge wie auch Kinder von Arbeitsmigranten, gehen in der Brabant-Schule ein Jahr in Sprachintensivklassen, bevor sie in Regelklassen wechseln. Beispielsweise durch die Arbeit von Klassensprechern und Schülervertretung lernen die Schüler demokratische Teilhabe kennen. Mit Integrationspartnern, wie zum Beispiel Sportvereinen, sozialen Trägern und Sozialarbeitern gibt die Schule Hilfestellungen bei der Integration in die Gesellschaft.
Marburger Präsentation hilft griechischen Flüchlingshelfern
Bei der beruflichen Orientierung kooperiert die SvB mit beruflichen Schulen, der Adolf-Reichwein- und der Käthe-Kollwitz- sowie den kaufmännischen Schulen. Einen Tag in der Woche lernen die Schüler sechs Stunden lang beispielsweise Holzverarbeitung oder alles über die Gastronomie. Außerdem absolvieren alle Schüler zwei Praktika in einem Betrieb. „Wenn die Schüler ihren Abschluss machen, kennen sie ihre Stärken und wissen, in welche Richtung sie wollen“, erklärte Bergmann.
Zusätzlich hatte die Schule eine Präsentation über Flucht und Traumatisierung ausgearbeitet. Diese soll den Lehrern vermitteln, was sie wissen müssen, um diese Kinder beschulen zu können. Diese Präsentation fand großes Interesse bei den Betreuern in griechischen Flüchtlingslagern, die darum baten, sie an ihre freiwilligen Helfer als Hilfestellung verteilen zu dürfen.
Higgins: Populisten haben leichtes Spiel
Irlands Präsident Higgins hielt im Anschluss, nach dem Erhalt der Ehrendoktorwürde an der Uni Athen, eine Rede, sprach darin über die Wichtigkeit der Arbeit mit jungen Menschen und nannte Erasmus als beispielhafte Möglichkeit, junge Menschen für Europa zu begeistern. Er stellte fest, dass Migration das bestimmende Thema des 21. Jahrhunderts ist und der Umgang damit zeige, auf welcher moralischen Grundlage unsere Gesellschaften stehen.
Higgins sagte aber auch, er verstehe, dass Populisten leichtes Spiel haben, wenn Gewinne privatisiert und Verluste und Probleme von der Allgemeinheit getragen werden müssen. „Die Rede begeisterte uns, weil unser Projekt genau gegen die Probleme steuert, die der Präsident angesprochen hat“, sagt Projektleiter Wolfgang Karl. Die Einladung sei „eine unglaubliche Würdigung des Projekts“, die Rede habe die Pädagogen inspiriert weiterzumachen.
von Stefanie Wellner