Marburg. Felix Vogel. Seinem lateinischen Vornamen macht „der Glückliche“ alle Ehre. Wenn er den Queue, wie der Billardstock genannt wird, in der Hand hält und das Feld mit den Kugeln darauf sondiert, ist er glücklich und gleichzeitig fokussiert. Es sind eben diese Eigenschaften, die ihn erfolgreich machen. In ganz Hessen gibt es niemanden, der auf Vogels Niveau spielt und auch noch ansatzweise so jung ist.
Seit vergangenem Samstag ist er zehn Jahre alt und ist damit nicht nur mehr als zehn Jahre jünger als der zweitjüngste Spieler beim PDV, sondern auch mit Abstand der jüngste in der Kreisliga, in der der PDV Marburg 4 spielt. „Der zweitjüngste ist 17 Jahre alt“, sagt Felix Vogel, der erst seine zweite Saison spielt. 1,28 Meter ist er groß. Der Billard-Tisch reicht ihm beinahe bis zur Brust. Einer seiner beiden Queues ist 22 Zentimeter größer als er.
Respektlosigkeiten gegenüber Vogel oder Augenreiben aufgrund dessen Größe kommt von Kontrahenten nicht. „Ich denke, dass ihn manche schon wegen des Alters unterschätzen. Aber sobald Felix anfängt zu spielen, ändert sich das“, lacht Stefanie Mertens, stellvertretende Vorsitzende des PDV. Felix grinst. Nach vier Spieltagen der laufenden Saison hat der PDV Marburg 4 acht Partien gewonnen und 24 verloren. Die Hälfte der Siege fuhr der Zehnjährige ein.
Vor drei Monaten sicherte sich der Viertklässler den Sieg beim 1. Jugendhessencup der Saison 2017/18 in Gießen. Wer als Laie gegen den Zehnjährigen spielt, kriegt Tipps. Seine Vorschläge muten Nicht-Könnern allerdings allzu abenteuerlich an: Mit der weißen Kugel, die stets als erstes angespielt werden muss, eine farbige treffen, die wiederum einen weiteren farbigen Ball einlocht – manchmal noch dazu über eine Bande.
Eine seltene Gabe
„Er hat das Talent, automatisch die richtigen Bewegungen zu machen“, sagt Manfred „Mani“ Grau, der Vogel im Marburger Bermuda Billard und Dartsportcenter trainiert und ebenfalls PDV-Spieler ist. Hinzu kommt eine exzellente Hand-Auge-Koordination. Aber große Sportler sind noch nie wegen Talent allein an die Spitze gelangt. Es bedarf mehr. Grau erklärt, welchen Vorteil sein Schüler hat: „Er hat Spaß am Spielen und vor allem hat er Ehrgeiz. Ich gebe ihm die Übungen und er macht sich dran. Wenn es schwer ist, verbeißt er sich richtig darin.“ Vogel muss quasi vom Tisch fortgezerrt werden, damit er Pausen macht. Schnelle Auffassungsgabe und ebenso zackige Umsetzung des Geforderten machen jeden Schüler zum Traum eines Lehrers.
Doch es ist nicht nur die unersättliche Gier nach Erfolg, die den Zehnjährigen einen hoffnungsvollen Sprössling hat werden lassen. „Felix hat außerdem die sehr bemerkenswerte Gabe, sich über einen sehr langen Zeitraum unheimlich gut konzentrieren zu können“, erklärt Grau. Wenn sein Schützling den Tisch umkreist wie ein Hai seine Beute, um den bestmöglichen Winkel für den richtigen Stoß zu finden, ist sein Gesicht steinern. Vogels Augen fixieren das Spielfeld. Und diesen Fokus behält er bei, bis sein Queue die weiße Kugel in Bewegung gebracht hat. „Er ist mental stärker als ich“, gibt Grau zu.